(K)ein Tag wie der andere

 

Es sind nun genau drei Wochen, seit ich hier im Kinderheim lebe, lache, arbeite. Wird also Zeit, von meinem Tagesablauf hier zu erzählen.

 

Alle zwei Wochen beginnt mein Tag um 4.30 – Frühschicht, ich muss meine Mädels aus den Federn scheuchen. Ich brauche nicht extra zu erwähnen, dass das natürlich meine Lieblingsschicht ist. Wenn ich es geschafft habe, mich aus meinen Decken zu schälen (inzwischen sind es nur noch zwei, es wird wärmer!), klappere ich jedes Zimmer ab und zwitschere mit meiner süßesten Stimme, die man eben zu dieser Uhrzeit haben kann: „Good morning ladies!“ Dann mache ich Kaffee – Instantkaffee wohlbemerkt – und schütte so viel Zucker wie Kaffeepulver in die Kannen. Es folgt eine zweite Runde Mädchen aufscheuchen. Natürlich haben sie sich maximal einmal umgedreht und schlafen genauso tief und fest wie 15 Minuten vorher. Ich versuche es nochmal, dieses Mal mit einem leicht warnenden Unterton: „Meisies, you have to get up! It's time for school!“ Wenn dann noch keine Reaktion folgt, wende ich die Körper-Schüttel-Methode oder auch die Bettdecke-Wegzieh-Methode an. Das zeigt meistens Erfolge. Um 5.30 gibt es gemeinsames Frühstück, dann muss ich meine Schäfchen durch die Wohnung scheuchen, damit auch alles sauber gemacht wird. Nach und nach verlassen sie mich dann, um mit einem Bus in die Schule zu fahren. Um 7.00 sind alle aus dem Haus – dann heißt es für mich: SCHLAFEN.

 

Den restlichen Morgen haben wir Freiwilligen für uns, und diese Zeit wird ausgiebig genutzt: Fitnessstudio, Pool, joggen, Zimmer putzen, gemeinsames Frühstück, entspannen, das (nur manchmal funktionierende und doch vorhandene) WLAN ausnutzen. Um 14.00 Uhr gibt es gemeinsames Mittagessen in der Hall für alle Kinderheimkids. Dabei helfe ich den Kleinen beim Essen schneiden, verteile Getränke oder bringe frisches Wasser zum Hände waschen. Der schönste aber auch anstrengendste Teil des Tages folgt um 15.00 Uhr: Studytime!

 

Jeden Tag werden die Kinder in der Studytime nach Klassen getrennt und erledigen ihre Hausaufgaben oder lernen gemeinsam. Mirja und ich helfen derzeit den süßen Zweitklässlern. Und dazu ist eine Menge Kreativität und vor allem Geduld gefordert. Erkläre ich einem Mädchen beispielsweise eine halbe Stunde lang ausführlichst das Prinzip des Minusrechnens ("You have twelve apples and then you eat three. How many apples are left?") und habe am Ende das Gefühl, sie hat es verstanden, dann kommt die Antwort - nachdem alles mit den Fingern wieder und wieder abgezählt wurde: "Fifteen?" Da die meisten Kinder nach der ersten halben Stunde fertig mit den Hausaufgaben sind, der Plan aber 1,5 Stunden Studytime vorsieht, muss ich mir alternative Aufgaben einfallen lassen. Ich frage also "Who wants to read for me out loud?", woraufhin fünf Kinder "Me teacher, me!" schreien und sich halb tot prügeln, bis ich einen oder zwei ausgewählt habe. Dann lesen sie mir stolz Texte auf Afrikaans vor, deren Bedeutung ich zwar nur erahnen kann, aber sie haben die größte Freude daran. Es ist erstaunlich, wie unterschiedlich das Niveau der Kinder ist. Während Petrus nur einzelne Buchstaben liest "E-K V-E-R-S..." kann Benita mir alles in wenigen Minuten flüssig vortragen.

 

Nach der Studytime kehre ich also zu meinen großen Ladies zurück, und helfe ihnen beispielsweise bei Referaten oder Hausaufgaben, die sie am Computer erledigen müssen. Das heißt, wenn der Drucker mal zufälligerweise funktionieren sollte, was zu 90 Prozent nicht der Fall ist. Allgemein kennen sie sich sehr wenig mit Arbeiten am PC aus. Schon das Einfügen von Bildern in ein Word-Document stellt sich als Herausforderung heraus. Einmal wollte ein Mädchen etwas aus Wikipedia drucken - blöderweise wurde dann nicht nur die markierte Seite, sondern der ganze Wikipedia-Artikel gedruckt (46 Seiten). Wenn schließlich auch diese Aufgaben erledigt sind, atmet das ganze Kinderheim auf. Jetzt heißt es FREETIME!

Freetime...

Die freie Zeit genieße ich in vollen Zügen mit meinen "großen" Mädels. Seit kurzem dürfen sie sogar in den Pool!

Das lässt sich natürlich keiner zweimal sagen. Um 17:30 gibt es Abendessen. Von da an kehrt Ruhe ein, es wird der Fernseher angeschaltet, geduscht, Nägel lackiert, zusammen auf dem Sofa entspannt. Und so langsam komme ich auch bei den Handlungen der sieben (oder waren es acht?) Soaps mit, die meine Mädels mitverfolgen. Um 19:00 bin ich dann "Off". Unsere Abende verbringen wir Freiwilligen zusammen in unserer "Flat", wo gemeinsam gekocht wird, und jeder von seinen Höhepunkten des Tages erzählt. So sieht also mein Tagesablauf hier aus. Aber trotzdem ist kein Tag wie der andere.

Ich glaube fest daran, dass Südafrika der schönste Ort auf Erden ist. (Nelson Mandela)

"Traveling is bad for you" - said nobody, ever.

Life is either a daring adventure or nothing at all.