The smoke that thunders

"Mosi oa tunya" - Donnernder Rauch. So werden die gigantischen Victoria Wasserfälle an der Grenze zwischen Sambia und Simbabwe von den Ureinwohnern genannt. Und es trifft zu: Schon von weitem hört man das Rauschen der riesigen Wassermengen. Dieses atemberaubende Naturwunder wollten wir fünf Mädels ("The big five") besichtigen und machten uns an einem Mittwochabend auf die Reise - die wahrscheinlich abenteuerlichste Reise unseres Auslandsjahres bisher.

 

Die schlechte Nachricht ist: Wir verpassten unseren gebuchten Bus in Johannesburg. Wir waren einfach zu spät in unserem kleinen Viersitz-Mietauto (wohlbemerkt: zu fünft) losgefahren. Schuld daran war unser Gepäck, fünf große Backpacker und Unmengen an belegten Broten, Kuchen und Naschzeug, das nicht ins Auto passen wollte. Oder vielleicht haben wir uns schon zu sehr an südafrikanische Lebenseinstellungen gewöhnt und wollten es auch mal mit "african timing" versuchen. Wie auch immer. Eine Stunde vor Busabfahrt befanden wir uns zwar in Johannesburg, hatten aber keine Ahnung wo unser Bus abfahren sollte. Der Beleg unserer Tickets verriet uns eine ungefähre Adresse, die aber weder von der Navi-App von Caros Handy gefunden wurde, noch war sie irgendeinem Passant bekannt, den wir nach dem Weg fragten. Dazu der chaotische Feierabendverkehr einer Metropole, und eine dreispurige Fahrbahn. Wir fahren fünfmal um denselben Block, außerdem über ein Taxi-Ranking und in die verkehrte Richtung einer Einbahnstraße. Zwanzig Minuten später ist immer noch keine Bushaltestelle in Sicht, dafür entdecken wir aber zufällig das Unternehmen unseres Mietautos und beschließen, erst einmal unser Mietauto los zu werden. Wir springen aus dem Auto, reden hektisch auf den Kundenberater von "Sunny Cars" ein. Ich weiß nicht, ob er unsere ganze Geschichte verstanden hat... aber er nimmt uns innerhalb von wenigen Minuten das Auto ab und organisiert uns ein Taxi. Blöd dass wir zu fünft sind. Wir quetschen uns also zu viert auf die Rückbank, irgendwo drücken wir noch unsere Rucksäcke und Essensrationen hin, können uns kaum bewegen, aber es ist nur eines wichtig: Wir müssen den Bus noch erwischen. Kurze Panik kommt auf, als der Beleg unserer Bustickets fehlt - Caro hat ihn - und der Kundenberater von Sunny Cars rennt dem Taxi noch hinterher, um uns die Rückgabebescheinigung des Autos zu überreichen. Auch unser Taxifahrer kennt die Adresse der Bushaltestelle nicht, doch er fährt munter drauf los.

Die Uhr verkündet: 15 Minuten vor Busabfahrt. Wir beginnen erstmals an unserem Glück zu zweifeln und auch die sonst so zuversichtliche Lucy meint leise: "Ich glaube wir schaffen es nicht mehr..." Doch unser Taxifahrer gibt sein bestes. Er hupt was das Zeug hält, drückt aufs Gas, wagt rasante Überholungsmanöver. 5 Minuten vor Busabfahrt. Wir halten an einer Bushaltestelle wo das Logo unseres Busunternehmens "Pioneer Coaches" zu lesen ist. Ich springe aus dem Taxi - doch zu früh gefreut. Es ist die falsche Haltestelle. Also weiter geht die Fahrt, inzwischen herrscht angespannte Stille in unserem Taxi. Es ist fünf Minuten nach angekündigter Busabfahrt, als wir an der richtigen Haltestelle ankommen. Wir trauen unseren Augen nicht: Vor uns fährt unser Bus Richtung "Bulawayo" ab. Caro springt vor den Bus, klopft an die Fenster, ruft "Please, have mercy! God bless you! Please!" ... aber er fährt ohne uns ab.

So, und jetzt die gute Nachricht: Wir sind fünf weiße Mädchen, mitten in Johannesburg bei Nacht und sehen so verzweifelt aus, dass die gutmütigen südafrikanischen Männer doch einfach nur Mitleid mit uns haben können. Der Manager des Busunternehmens wird für uns gerufen, der telefoniert mit dem Busfahrer unseres Buses und ordnet an, dass dieser eine Stunde in Pretoria auf uns warten muss, wo wir aus einem anderen Bus dort umsteigen können. Willkommen in Afrika :-)

Die Fahrgäste unseres Buses funkeln uns böse an, als wir in Pretoria einsteigen. Wegen uns fünf Mädchen hat ein Bus mit ca 60 Fahrgästen nun eine Stunde Verspätung. Der Busfahrer, so groß wie breit, fordert uns auf, zur Entschuldigung das Gebet für die Reise zu sprechen. Entgeistert schauen wir uns an. Wir sollen beten?! Auf Kommando sagen wir im Chor das "Vater unser" auf Deutsch auf. Die Fahrgäste sind besänftigt, wir Mädels völlig fertig mit den Nerven, aber glücklich, also kann die Reise nach Bulawayo (Simbabwe) endlich beginnen. Auch eine vierstündige Wartezeit an der Grenze stört nicht mehr. Um zwölf Uhr des darauffolgenden Tages sind wir endlich angekommen. Die nette Nebensitzerin von Caro lädt uns in ihr Geschäft ein, wo wir uns frisch machen können. Wir verbringen den Tag mit ihrer lieben Nichte, die gleich alt wie wir ist und uns in Bulawayo herumführt. Abends steigen wir in einen alten, klapprigen Schlafzug ein, der an die Victoria Falls führt. Er sieht aus wie aus einem Western Film, wir sind die einzigen weißen unter den wenigen Fahrgästen, und auch der Bahnhof ist menschenleer. Lüsterne Anspielungen des Ticketverkaufers ("Ich komme euch heute Nacht besuchen") machen die Situation nicht gerade angenehmer. Aber immerhin: Das Ticket kostet umgerechnet nur 8 Euro. Der quietschende und ratternde Zug verlässt Bulawayo pünktlich. Die Tür unseres Zugabteils ist kaputt und lässt sich nicht schließen... also bleibt sie während der Fahrt leider offen. Das macht nichts, denn angesichts der Zuggeschwindigkeit könnte man auch während der Fahrt problemlos aus dem Zug springen. Der Zug hält scheinbar willkürlich - stehen Bauern am Rand der Schienen, werden sie samt Kindern und Ziegen mitgenommen. Die Liegen sind hart, doch wir schaffen es, ein wenig zu schlafen. Am nächsten Morgen hält der Zug plötzlich mitten im Nirgends und wir wundern uns, ob dieses alte Schrottgefährt nun endgültig seinen Geist aufgegeben hat. Als wir wieder Fahrt aufnehmen, kommt der Schaffner zu uns und fragt: "Na, habt ihr den Elefanten gesehen?" Leider nein. Aber allein der Gedanke, dass man mit dem Blick aus dem Fenster in der wunderschönen Savannenlandschaft vielleicht sogar einen Elefanten sehen kann, bringt uns völlig aus der Fassung. Nach eineinhalb Tagen Anreise kommen wir schließlich bei den "Victoria Falls" an.

Die Victoria Falls sind atemberaubend. Bei der Besichtigung sehen wir nicht nur einen frei herumlaufenden Elefanten, Wildschweine oder aufdringliche Affen, sondern werden auch nass bis auf die Unterhose. Als wir unsere Heimreise antreten, fällt uns ein Problem auf: Der Beleg unserer Bustickets wurde nur gegen die Tickets der Hinreise eingetauscht. Für die Rückreise hatten wir zwar schon gezahlt, aber keinen Nachweis mehr dafür, da der Beleg in Johannesburg einbehalten wurde. Der Nervenkitzel ging also weiter. Nach einer langen Nacht im Zug ging unser erster Gang in Bulawayo zum Office unseres Busunternehmens. Der Beamte am Schalter war mit unserem kleinen Problemchen sichtlich überfordert. Er rief irgendeinen Manager an, der dann für uns gerufen wurde. Wir sollten warten. Also saßen wir dort im Office, und eigentlich war es einfach lustig - wir hatten es schon wieder geschafft, dass wegen uns der Manager gerufen wurde. Wir warteten an die drei Stunden, ohne das etwas passierte. Dann ging alles ganz schnell: Der Manager kam und kannte überraschenderweise die ganze Geschichte unserer Anreise inklusive Busverspätung in Pretoria. Zufälligerweise betrat in diesem Moment auch noch der Busfahrer unserer Hinreise das Office - Caro fiel ihm vor Erleichterung einfach spontan um den Hals.  Unsere Rückreise war gesichert, ohne dass wir nochmal zahlen mussten... in Johannesburg angekommen meinte der Busfahrer zum Abschied: "Dann bis zum nächsten Mal." Wir sind uns aber einig, dass es für das Busunternehmen sicher besser ist, uns nie wieder als Mitreisende zu haben...

Ich glaube fest daran, dass Südafrika der schönste Ort auf Erden ist. (Nelson Mandela)

"Traveling is bad for you" - said nobody, ever.

Life is either a daring adventure or nothing at all.